Improtheater – wie geht das?

Die einfachste und kürzeste Improtheateranleitung der Welt

Hilfe, ich stehe auf der Impro-Bühne und weiß nicht, was ich machen soll!

Als erstes solltest du dir folgende vier Fragen stellen: Wo sind wir? Wer sind wir? Wie sind wir? Was machen wir?

Nun gibt es die Möglichkeit, dass der/die MitspielerInnen (oder das Publikum durch seine Vorgaben) die Fragen für dich schon beantwortet haben. Dann musst du dir die vier Sachen nur noch merken.

Wenn jedoch dem Mitspieler nichts einfällt, musst du Entscheidungen fällen – z.B.: „Guten Morgen Mama, möchtest du deinen Kaffee mit oder ohne Whiskey?“

Du hast zwei Rollen und eine Beziehung (Tochter/Mutter), den Ort (Küche), eure Charaktere (hilfsbereit, alkoholabhängig), die Tageszeit (Morgen) und die Handlung (Frühstück machen) etabliert – mit einem einzigen Satz! Sehr gut.

Angenommen, deine Mitspielerin antwortet: „Wie oft soll ich dir noch sagen, ich trinke keinen Kaffee oder Whiskey!“ – dann hat sie deine schöne Idee kaputt gemacht und damit die Regel Nummer 1 des Improtheaters (alles annehmen, nichts blockieren) gebrochen. Es wird schwierig, diese Szene fortzusetzen.

Angenommen, deine Mitspielerin beachtet die Regel Nummer 1 und sagt: „Mit Whiskey natürlich, Schatz, aber nimm dir auch ordentlich, ich hol dann neuen Whiskey vom Aldi“ – dann hat sie die Idee aufgegriffen und fortgesetzt.

Nun spürst du natürlich, dass, wenn ihr jetzt einfach zusammen Kaffee mit Whiskey trinkt, die Szene langweilig wird. Ein Problem muss geschaffen werden! Du sagst dann zum Beispiel, nachdem du ordentlich getrunken hast: „Mist, ich habe ganz vergessen, dass gleich die Frau vom Jugendamt kommt. Sie will gucken, ob ich nicht besser bei Papa untergebracht bin.“ Die Mutter sagt dann vielleicht: „Hast du uns absichtlich mit Whiskey abgefüllt, damit du mir weggenommen wirst?“ Dann hättet ihr ein schönes Problem auf der Beziehungsebene. Das Publikum ist gespannt, wie es jetzt weitergeht.

Wenn du darauf sagst: „Nein, natürlich nicht“, dann hast du das Problem gleich wieder beseitigt. Schade.

Wenn du stattdessen sagst: „Ehrlich gesagt: ja“, dann ist das Publikum gespannt, wie die Mutter darauf reagiert.

Wenn die Mutter sagt: „Ok, geh doch zu Papa, dann habe ich hier meine Ruhe“, dann hat sie das Problem gleich wieder beseitigt. Schade.

Wenn sie jedoch sagt: „Warum?“, dann ist das Publikum gespannt, warum.

Wenn du dann sagst: „Weil ich nicht so werden will wie du!“ (obwohl du in dem Moment noch keine Ahnung hast, was das genau bedeutet), hast du dir und der Mitspielerin eine spannende Aufgabe gestellt – nämlich diese Aussage zu rechtfertigen.

Kurz, von allen Handlungsalternativen ist immer die ‚gefährlichste‘ zu wählen – also diejenige, bei der man am meisten Gefühle riskiert, am meisten handeln muss und sich womöglich verändern muss.

Man braucht nicht zu wissen, wie es längerfristig weiter gehen soll – man schickt nur einen Ball zum Mitspieler, der ihn irgendwie zurückspielt, wie beim Ping-Pong-Spiel. Im Gegensatz zum echten Ping-Pong-Spiel spielt man den Ball so, dass der Mitspieler ihn auch kriegen kann.

Niemand führt Regie, sondern gemeinsam Ping-Pong spielend landet man woanders, als man am Anfang war – dann hat man zusammen eine Geschichte erzählt.

Geschichten sollten weder ein simples Abbild des Alltags sein, noch völliger Nonsense, sondern leicht groteske Übertreibungen mit Wurzeln in der Realität, die jeder kennt – dann lacht das Publikum letztlich über sich selbst.